Donnerstag, 8. November 2018

Warum Weihnachten nächstes Jahr ausfällt


„Ich überleg mir ja wirklich, Weihnachten heuer ausfallen zu lassen und einfach wegzufliegen“, erklärt mein Vater jedes Jahr aufs Neue. Gut, wenn man so einige Weihnachtsdesaster meiner Kindheit bedenkt, wundert mich das eigentlich nicht. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir bis heute der Weihnachtsabend, an dem ich einen neuen Schreibtischsessel bekam und mein Vater beim kläglich scheiternden Versuch, diesen aufzubauen, fast seinen Daumen verlor. Ein cholerischer Anfall seinerseits war ebenso vorprogrammiert, wie ein Weinkrampf von mir, denn ich wollte doch unbedingt genau heute, an Weihnachten, in den Ferien, um 21 Uhr, auf genau diesem fix fertig aufgebauten Schreibtischstuhl sitzen und meine Welt lag in Trümmern, weil aus diesem Vorhaben nichts wurde. 
Trotzdem, wirklich ausfallen lassen hat mein Vater Weihnachten noch nie und auch für mich wäre allein dieser Gedanke bisher absolut unvorstellbar gewesen. Meine Familie (mütterlicherseits) liebt Weihnachten - und Geschenke. Ich komme aus einer Familie, in der sogar der Namenstag mit Torte und Päckchen gefeiert wird und beim Familientreffen am 25. Dezember auch meine Ü-80 Oma noch stolz jedes einzelne ihrer Geschenke präsentiert. 
Also, warum um alles in der Welt sollte ich jemals auf die Idee kommen, Weihnachten ausfallen zu lassen?

Der Gedanke kam mir vor einigen Wochen. Ich, gerade gefühlt aus meinem Masterarbeits-Koma erwacht und keinen Dunst davon, in welcher Zeitzone wir uns befinden. Mein Verlobter (ja, urplötzlich bin ich verlobt und voll erwachsen und überhaupt stehe ich jetzt mit beiden Beinen im Leben) fragt unschuldig und beiläufig, wie wir das denn heuer zu Weihnachten machen. 
Hä, wie jetzt? WIR?! Weihnachten, das Familienfest schlechthin? Was soll ich denn da mit DIR machen? 
Sanft wies er mich darauf hin, dass wir ja jetzt verlobt sind und mit unserer Ehe wohl auch eine eigene Familie gründen. Mit sanft meine ich, dass er wie immer, wenn er versucht, mich zu belehren, fünfhunderttausend Dezibel lauter spricht als nötig, obwohl ich eh direkt vor ihm sitze und auch ein Flüstern absolut verständlich wäre.
Ratlos sehe ich ihn an und versuche angestrengt, meinen Mann zu übersetzen. Mit „wie machen wir das?“ meint er nämlich „du feierst heuer auch mit meiner Familie“. Und für mich bedeutet das DREI Familien, mit denen ich dieses Jahr feiern muss. Dreimal so viel essen! Dreimal so viel Stress! Dreimal so viele Geschenke. Im Geiste rechne ich meinen aktuellen Kontostand nach und bemühe mich, nicht auf unsere Wohnzimmercouch zu kotzen. 
Dann die nächste unvermittelte und klar unüberlegte Frage des zukünftigen Gatten: „Und was schenkst du eigentlich meinen Eltern?“

Was schenkt ER eigentlich MIR ist wohl die angemessenere Frage. Ich frage: „Was schenkst DU eigentlich MIR?!“
Ehrlich gesagt bin ich mir nichtmal selbst sicher, was ich gerne hätte. Außer einer Hyaluronsäure-Behandlung für meine Augenringe. Oder einem dreiwöchigen Aufenthalt in einer Overwater-Villa auf den Malediven. Er schlägt vor, einen neuen Staubsauger zu kaufen, weil der „ur praktisch“ ist. Wir einigen uns auf eine Sonnenbrille von Prada. 

Auch mein Göttergatte äußert seinen Herzenswunsch. Jeder, der ihn kennt, hätte wohl auf Fahrradzubehör oder ein neues PlayStation-Spiel getippt. Er aber möchte einen Japanisch-Kurs besuchen. Ist auch okay. 

Da gibt es ja so Frauen, die ihren Männern liebevolle Fotocollagen basteln und einrahmen, damit er diese über sein Bett hängen kann. Und dann gibt es mich. Sein Bett ist nämlich mein Bett und ich vertrete eher die Meinung: „So einen Scheiß brauch ich nicht in meiner Wohnung!“ und basta. Geschenke einpacken kann ich ebenso wenig, wie irgendwelche romantischen Videos zusammenschneiden. Aber glücklicherweise kann man Männer ja auch anders beglücken, oder?

Jetzt mal im Ernst: Ja, am liebsten wäre es mir, Weihnachten ausfallen zu lassen. Heuer einfach mal nach dem Motto „Dieses Jahr schenken wir uns nichts“ zu leben und das auch ernst zu meinen. Geld zu sparen. Nichts zuzunehmen über die Feiertage. 
Andererseits tüftle ich natürlich schon am perfekten Geschenk für die Schwiegereltern. Überlege, heuer ein romantisches Fotobuch für den Mann zu gestalten. Freue mich auf dreimal so viel Essen. Auf drei mal so viele Geschenke. Und bin ehrlich gespannt darauf, welche Weihnachtsdesaster so in seiner Familie auf mich warten und ob da auch jemand seinen Daumen verliert. Ich hoffe nicht!
Aber nächstes Jahr lassen wir Weihnachten ausfallen und fliegen einfach weg! Wirklich jetzt!


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